Der Heilige Stuhl
APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH PANAMA AUS ANLASS DES 34. WELTJUGENDTAGES
(23.-28. JANUAR 2019)
VIGIL MIT DEN JUGENDLICHEN
ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS
Campo San Juan Pablo II – Metro Park (Panama)
Samstag, 26. Januar 2019
Liebe junge Freunde, guten Abend!
Wir haben gerade diese schöne Darbietung zum Baum des Lebens gesehen, die uns zeigt, wie
das Leben, das Jesus uns schenkt, eine Geschichte der Liebe ist, eine
Geschichte des Lebens, die sich mit unserer eigenen Geschichte vermischen und im Erdreich eines jeden Wurzeln
schlagen will. Jenes Leben ist weder ein Rettungsprogramm, das „in der Cloud“ hängt und darauf
wartet, heruntergeladen zu werden, noch ist es eine neue „App“, die man entdecken müsste, oder
eine mentale Übung im Sinne einer Technik zum persönlichen Wachstum. Das Leben, das Gott
uns anbietet, ist auch kein Tutorial, mit dem man etwas über die letzten Neuheiten erfahren kann.
Die Rettung, die Gott uns schenkt, ist eine Einladung zur Teilnahme an einer Liebesgeschichte,
die sich mit unseren Geschichten verknüpft; sie lebt fort und will mitten unter uns geboren werden,
damit wir dort, wo wir sind, wie wir sind und mit wem wir sind, fruchtbringen können. Dorthin
kommt der Herr, um zu pflanzen und sich selbst einzupflanzen; er ist der Erste, der „Ja“ zu
unserem Leben sagt, er ist immer der Erste. Er ist der Erste, der „Ja“ zu unserer Geschichte sagt,
und er wünscht, dass auch wir zusammen mit ihm „Ja“ sagen. Er geht uns immer voraus, er ist der
Erste. Und so überraschte er Maria und lud sie ein, Teil dieser Liebesgeschichte zu sein. Die junge Frau
aus Nazareth tauchte zweifellos nicht in den „sozialen Netzwerken“ der damaligen Zeit auf, sie
war keine Influencerin, aber ohne es zu wollen oder danach zu streben, wurde sie die
Frau mit dem größten Einfluss aller Zeiten.
Und wir können von ihr mit kindlichen Vertrauen sagen: Maria, die „
Influencerin“ Gottes. Mit wenigen Worten hatte sie den Mut, „Ja“ zu sagen und auf die Liebe, auf die Verheißungen Gottes
zu vertrauen, die einzige Kraft, die in der Lage ist, alles zu erneuern, neu zu machen. Und wir alle
haben heute etwas, das in unserem Inneren neu gemacht werden muss. Wir müssen heute
zulassen, dass Gott etwas in unserem Herzen neu macht. Denken wir ein wenig darüber nach:
Was will ich, dass Gott es in meinem Herzen neu macht?
Noch immer beeindruckt die Kraft des „Ja“ der jungen Maria. Die Kraft jenes „Mir geschehe“, das
sie zu dem Engel sagte. Dies war keine passive oder resignierte Einwilligung. Es war etwas
Anderes als ein „Ja“, im Sinne eines „Gut, schauen wir mal, was passiert“. Maria kannte diesen
Ausdruck nicht: „Schauen wir mal, was passiert.“ Sie war entschlossen, sie hat verstanden, worum
es ging, und sagte „Ja“, ohne Umschweife. Es war mehr, es war etwas Anderes. Es war das „Ja“
eines Menschen, der sich einbringen und Risiken eingehen will und alles auf eine Karte setzen
will, mit keiner anderen Garantie als der Gewissheit, Trägerin einer Verheißung zu sein. Und ich
frage einen jeden von euch: Fühlt ihr euch als Träger einer Verheißung? Welche Verheißung trage
ich im Herzen, für die ich mich einsetzen muss? Maria würde zweifelsohne eine schwierige
Mission haben, aber die Schwierigkeiten waren kein Grund, „Nein“ zu sagen. Es war klar, dass es
Komplikationen geben würde, aber es wären nicht dieselben Komplikationen gewesen, die
auftreten, wenn die Feigheit uns lähmt, weil wir nicht im Voraus schon alles geklärt oder
abgesichert haben. Maria hat keine Lebensversicherung abgeschlossen! Maria ging das Risiko ein
und deswegen war sie stark, deswegen ist sie eine
Influencerin, ist sie die Influencerin Gottes!
Das „Ja“ und der Wunsch zu dienen waren stärker als die Zweifel und Schwierigkeiten.
Heute Abend hören wir auch, wie das „Ja“ Mariens von Generation zu Generation widerhallt und
sich vervielfältigt. Viele junge Menschen, die dem Beispiel Mariens folgen, riskieren etwas und
setzen auf etwas, weil sie einer Verheißung folgen. Danke, Erika und Rogelio, für das Zeugnis,
das ihr uns gegeben habt. Diese beiden waren mutig! Sie verdienen einen Applaus. Danke! Ihr
habt uns von euren Ängsten, von den Schwierigkeiten, von all den Risiken erzählt, die ihr vor der
Geburt von Ines erlebt habt. An einem gewissen Punkt habt ihr gesagt: „Es verlangt uns Eltern
aus verschiedenen Gründen viel ab, ein Kind anzunehmen, das krank oder behindert auf die Welt
kommen wird“, das ist klar, das ist verständlich. Aber das Erstaunliche war, als ihr hinzugefügt
habt: „Als unsere Tochter geboren wurde, haben wir beschlossen, sie von ganzem Herzen zu
lieben“. Vor ihrer Geburt und angesichts all der schlechten Nachrichten und Schwierigkeiten, die
auftauchten, habt ihr eine Entscheidung getroffen und wie Maria gesagt: „Uns geschehe ...“ Ihr
habt beschlossen, sie zu lieben. Angesichts des schwachen, hilflosen und bedürftigen Lebens
eurer Tochter war eure Antwort – Erika und Rogelio –: „Ja“, und so haben wir Ines. Ihr hattet den
Mut, daran zu glauben, dass die Welt nicht nur für die Starken ist! Danke!
„Ja“ zu sagen zum Herrn bedeutet, den Mut zu haben, das Leben, wie es kommt, mit all seiner
Zerbrechlichkeit und Begrenztheit und oft sogar mit all seinen Widersprüchen und Sinnlosigkeiten,
mit der gleichen Liebe anzunehmen, mit der Erika und Rogelio zu uns gesprochen haben. Das
Leben so annehmen, wie es kommt. Dies bedeutet, unser Land, unsere Familien, unsere Freunde
so anzunehmen, wie sie sind, auch mit ihren Schwächen und ihrer Begrenztheit. Das Leben
annehmen kann auch bedeuten, all das willkommen zu heißen, was nicht vollkommen ist, was
nicht rein oder gefiltert, aber deswegen nicht weniger liebenswert ist. Ist jemand, nur, weil er
behindert oder fragil ist, nicht der Liebe würdig? Ich frage euch: Ist ein Behinderter, ein Mensch
mit Behinderung, ein fragiler Mensch der Liebe würdig? [Antwort: „Ja!“] Ich höre es nicht gut
[lauter: „Ja!“] Ihr habt verstanden. Eine andere Frage, schauen wir, wie ihr antwortet. Ist jemand,
nur, weil er ein Fremder ist, weil er Fehler gemacht hat, weil er krank ist oder weil er in einem
Gefängnis sitzt, der Liebe würdig? [Antwort: „Ja!“] Und so handelte Jesus: Er nahm sich des
Aussätzigen, des Blinden und des Lahmen, des Pharisäers und des Sünders liebevoll an. Er
nahm den Verbrecher am Kreuz an und sogar diejenigen, die ihn ans Kreuz lieferten, und verzieh
ihnen. Warum? Weil nur das, was man liebt, gerettet werden kann. Du kannst keine Person retten, keine
Situation retten, wenn du sie nicht liebst. Nur das, was man liebt, kann gerettet werden.
Wiederholen wir das? [gemeinsam:] Nur was man liebt, kann gerettet werden. Noch einmal! [Die
Jugendlichen: „Nur was man liebt, kann gerettet werden.“] Vergesst das nicht. Darum hat Jesus
uns gerettet: Weil er uns liebt und nicht anders kann. Wir können ihm was auch immer antun, er
jedoch liebt uns und rettet uns. Denn nur was man liebt, kann gerettet werden. Nur was man
annimmt, kann verwandelt werden. Die Liebe des Herrn ist größer als all unsere Widersprüche,
als all unsere Schwächen und als all unsere Begrenztheiten. Aber gerade mithilfe unserer
Widersprüche, Schwächen und Begrenztheiten will er diese Liebesgeschichte schreiben. Er hat
den verlorenen Sohn angenommen, er hat Petrus nach seiner Verleugnung angenommen; er
nimmt auch uns immer, immer, immer an, wenn wir gefallen sind und hilft uns, aufzustehen und
wieder auf die Beine zu kommen. Denn der wirkliche Fall – Achtung! –, der wirkliche Fall, der
unser Leben zerstören kann, besteht darin, am Boden liegen zu bleiben und sich nicht helfen zu lassen.
Es gibt ein sehr schönes Berglied, das beim Hinaufgehen auf den Berg gesungen wird:
„Das ist die Kunst des Aufstiegs: Der Sieg besteht nicht darin, nicht zu stürzen, sondern nicht
liegen zu bleiben.“ Nicht liegen bleiben! Die Hand ausstrecken, damit sie dich hochziehen. Nicht
liegen bleiben. Der erste Schritt besteht darin,
keine Angst davor zu haben, das Leben so zu nehmen, wie es
kommt, nicht Angst davor zu haben, das Leben anzunehmen, wie es ist.
Das ist der Baum des Lebens, den wir heute [während der Gebetsvigil] gesehen haben.
Danke, Alfredo, für dein Zeugnis und den Mut, es mit uns allen zu teilen. Ich war sehr beeindruckt,
als du gesagt hast: „Ich begann im Bauwesen zu arbeiten, bis das Projekt beendet war. Ohne
Arbeitsplatz sahen die Dinge anders aus: ohne Schule, ohne Beschäftigung und ohne Arbeit“. Ich
fasse in einem vierfachen „Ohne“ die Faktoren zusammen, die unser Leben entwurzeln und
austrocknen: ohne Arbeit, ohne Bildung, ohne Gemeinschaft, ohne Familie. Beziehungsweise ein
Leben ohne Wurzeln. Ohne Arbeit, ohne Bildung, ohne Gemeinschaft und ohne Familie: diese vier
„Ohne“ töten.
Es ist unmöglich, dass jemand wächst, wenn er keine starken Wurzeln hat, die helfen, gut und fest
mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen. Es ist leicht, sich zu verlieren, wenn man keinen Ort
hat, wo man feststehen, Halt finden kann. Das ist eine Frage, die wir Erwachsenen uns stellen
müssen, die wir hier sind. Ja, eigentlich ist es eine Frage, die ihr uns stellen müsstet, ihr junge
Menschen müsstet sie uns Erwachsenen stellen, und wir werden euch darauf antworten müssen:
Welche Wurzeln geben wir euch? Welche Grundlagen, auf denen ihr euer Menschsein aufbauen
könnt? Es ist eine Frage an uns Erwachsene. Wie leicht ist es, junge Menschen zu kritisieren und
die ganze Zeit herumzunörgeln, wenn wir ihnen Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten sowie
Gemeinschaftserfahrungen vorenthalten, die Halt geben und Zukunftsträume wecken! Ohne
Bildung ist es schwierig, von der Zukunft zu träumen; ohne Arbeit ist es sehr schwierig, von der
Zukunft zu träumen; ohne Familie und ohne Gemeinschaft ist es schier unmöglich, von der
Zukunft zu träumen. Denn von der Zukunft zu träumen bedeutet, nicht nur eine Antwort auf die
Frage „Warum lebe ich?“ zu finden, sondern auch auf die Frage „Für wen lebe ich?“, für wen lohnt
es sich zu leben. Und das müssen wir Erwachsene fördern, indem wir euch Arbeit, Bildung,
Gemeinschaft und Chancen geben.
Es ist, wie Alfredo sagte: wenn einer in der Luft hängt und ohne Arbeit, Bildung, Gemeinschaft
oder Familie dasteht, fühlt er sich am Ende des Tages leer und füllt diese Lücke schließlich mit
allem Möglichen aus, mit etwas Schlechtem. Denn mit der Zeit weiß man dann nicht mehr, für wen
man leben, kämpfen und lieben soll. Ich frage die Erwachsenen hier und die, die uns zuschauen:
Was tust du für die Zukunft, für die Lust auf Zukunft dieser jungen Menschen von heute? Bist du
fähig, dafür zu kämpfen, dass sie Möglichkeiten zur Bildung haben, dass sie Arbeit finden, dass
sie Familie haben, dass sie Gemeinschaft haben? Jeder von uns Erwachsenen antworte im
eigenen Herzen.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einigen Jugendlichen, wo einer von ihnen mich fragte:
„Warum fragen sich heute so wenige junge Menschen, ob es Gott gibt oder warum fällt es ihnen
so schwer, an ihn zu glauben und sich im Leben für etwas einzusetzen?“ Ich antwortete: „Und ihr,
was denkt ihr?“ Unter den Antworten, die aus dem Gespräch heraus entstanden, erinnere ich mich
an eine, die mein Herz berührte und die mit der Erfahrung zusammenhängt, von der Alfredo
sprach: „Padre, weil viele von ihnen das Gefühl haben, dass sie nach und nach für die anderen
aufgehört haben zu existieren, oft fühlen sie sich wie unsichtbar“. Viele junge Menschen haben
das Gefühl, dass sie für die anderen aufgehört haben zu existieren: für die Familie, für die
Gesellschaft, für die Gemeinschaft ..., und so fühlen sie sich oft unsichtbar. Das ist die Kultur der
Verlassenheit und mangelnder Achtsamkeit. Ich sage nicht alle, aber viele haben das Gefühl, dass
sie nicht viel oder nichts zu geben haben, weil sie keinen realen Ort haben, wo sie erleben, dass
sie gefragt sind. Wie sollen sie da denken, dass Gott existiert, wenn sie selbst, diese jungen
Menschen, für ihre Brüder und Schwestern und für die Gesellschaft schon längst nicht mehr
existieren? So bringen wir sie dazu, nicht an die Zukunft zu denken und zu Opfern von Drogen
oder anderen zerstörerischen Dingen zu werden. Wir können uns fragen: Wie gehe ich mit den
Jugendlichen um, die ich sehe? Kritisiere ich sie oder interessieren sie mich nicht? Helfe ich ihnen
oder interessieren sie mich nicht? Stimmt es, dass sie für mich schon lange aufgehört haben zu
existieren? Wir wissen genau, dass es nicht ausreicht, den ganzen Tag online
zu sein, um sich anerkannt und geliebt zu fühlen. Beachtung zu erfahren und zu etwas eingeladen zu sein, ist mehr wert als
„im Netz“ zu sein. Es bedeutet, Orte zu finden, in denen ihr euch mit euren Händen, eurem Herzen
und eurem Kopf als Teil einer größeren Gemeinschaft fühlen könnt, die euch braucht und die auch
ihr Jugendliche braucht.
Dies haben die Heiligen gut verstanden. Ich denke zum Beispiel an Don Bosco [Applaus], der
nicht sonst wohin gegangen ist, um die Jugendlichen an einem fernen oder speziellen Ort zu
suchen – Man sieht, dass welche da sind, die Don Bosco gerne haben, ein Applaus! Don Bosco
zog nicht los, um die jungen Menschen an einem fernen oder speziellen Ort zu suchen; er lernte
einfach nur, alles, was in der Stadt geschah, zu sehen, mit den Augen Gottes anzuschauen, und
so kam er zu den Hunderten von verlassenen Kindern und Jugendlichen ohne Schule, ohne Arbeit
und ohne die freundliche Hand einer Gemeinschaft. Viele Menschen lebten in derselben Stadt,
und viele kritisierten diese jungen Menschen, aber sie waren nicht fähig, sie mit den Augen Gottes
betrachten. Die Jugendlichen muss man mit den Augen Gottes anschauen. Er tat dies, Don
Bosco, er wusste, wie man den ersten Schritt macht: das Leben so anzunehmen, wie es einem
begegnet; und von daher hatte er keine Angst, den zweiten Schritt zu tun: mit ihnen eine
Gemeinschaft zu gründen, eine Familie, in der sie sich bei Arbeit und Studium geliebt fühlen
konnten. Ihnen Wurzeln geben, mit denen sie Halt finden, damit sie den Himmel erreichen können;
damit sie jemand sind in der Gesellschaft. Ihnen Wurzeln geben, mit denen sie Halt
finden, damit nicht der erste Windstoß sie umwirft. Dies hat Don Bosco getan, dies haben die
Heiligen getan, das tun die Gemeinschaften, die es verstehen, die jungen Menschen mit den
Augen Gottes zu sehen. Wollt ihr Erwachsenen die Jugendlichen mit den Augen Gottes sehen?
Ich denke an viele Orte in unserem Lateinamerika, wo Einrichtungen gefördert werden, die
Große Familie - Haus Christi [Familia grande hogar de Cristo] heißen, und die im gleichen Geist wie
andere ähnliche Zentren versuchen, das Leben so anzunehmen, wie es in seiner Gesamtheit und
Komplexität vorkommt, weil sie wissen, dass »für den Baum noch Hoffnung besteht: Ist er gefällt,
so treibt er wieder, sein Sprössling bleibt nicht aus« (vgl. Ijob 14,7).
Und immer kann man „neu austreiben und sprießen“, immer kann man neu beginnen, wenn es
eine Gemeinschaft gibt, die Nestwärme eines Hauses, wo man Wurzeln schlagen kann, wo das
notwendige Vertrauen besteht und das Herz darauf vorbereitet wird, einen neuen Horizont zu
entdecken: den Horizont eines Sohnes und einer Tochter, die erfahren, dass sie geliebt, gesucht
und gefunden sind, dass sie für eine Mission bestimmt sind. Der Herr macht sich durch konkrete
Gesichter gegenwärtig. Zu dieser Liebesgeschichte wie Maria „Ja“ zu sagen bedeutet auch zu
bejahen, dass wir Werkzeuge sind, um in unserer Umgebung kirchliche Gemeinschaften
aufzubauen, die in der Lage sind, durch die Straßen der Stadt zu ziehen, die Anderen
anzunehmen und neue Beziehungen zu knüpfen. Ein „Influencer“ des 21. Jahrhunderts zu sein
bedeutet, ein Hüter unserer Wurzeln zu sein, Hüter all dessen, was verhindert, dass unser Leben
„gasförmig“ wird, dass unser Leben im Nichts verdunstet. Ihr Erwachsenen, seid Hüter all dessen,
was es uns erlaubt, uns als Teil voneinander zu fühlen, Hüter all dessen, was uns erfahren lässt,
dass wir zueinander gehören.
So hat Nirmeen das auf dem Weltjugendtag in Krakau erlebt. Sie begegnete einer lebendigen,
freudigen Gemeinschaft, die auf sie zuging, ihr ein Gefühl der Zugehörigkeit und damit auch der
Identität gab und ihr erlaubte, die Freude zu leben, die die Begegnung mit Jesus vermittelt.
Nirmeen mied Jesus, sie hat ihn gemieden, hielt ihn auf Distanz, bis jemand sie dazu brachte,
Wurzeln zu schlagen, und ihr eine Zugehörigkeit gab, und diese Gemeinschaft gab ihr den Mut,
diesen Weg zu beginnen, von dem sie uns erzählt hat.
Ein lateinamerikanischer Heiliger fragte sich einmal: »Dient der Fortschritt der Gesellschaft einzig
dazu, dass man sich das neueste Automodell oder die neueste auf dem Markt befindliche
Technologie erwerben kann? Besteht darin die ganze Größe des Menschen? Gibt es nichts
Größeres, als dafür zu leben?« (Alberto Hurtado, Meditación de Semana Santa para jóvenes,
1946). Ich frage euch, euch Jugendliche: Wollt ihr diese Art von Größe? Oder nicht? Seid ihr
unsicher ... Hier hört man nicht gut, was ist los? ... [„Nein!“] Größe besteht nicht darin, das
neueste Automodell zu besitzen oder die neueste Technologie zu erwerben. Ihr seid für etwas
Größeres geschaffen! Maria hat das verstanden und so sagte sie: „Mir geschehe!“ Erika und
Rogelio haben das verstanden und sagten: „Uns geschehe!“ Alfredo hat das verstanden und
sagte: „Mir geschehe!“ Nirmeen hat das verstanden und sagte: „Mir geschehe!“ Wir haben sie hier
gehört. Liebe Freunde, ich frage euch: Seid ihr bereit, „ja“ zu sagen? [„Ja!“] Jetzt antwortet ihr, so
gefällt es mir besser! Das Evangelium lehrt uns, dass die Welt nicht besser wäre, wenn es
weniger kranke Menschen, weniger schwache Menschen, weniger gebrechliche oder ältere
Menschen gäbe, um die man sich kümmern muss, oder wenn es weniger Sünder gäbe, nein, sie
wäre nicht besser deshalb. Die Welt wird erst dann besser, wenn es mehr Menschen gibt, welche
wie diese Freunde, die zu uns gesprochen haben, die Bereitschaft und den Mut aufbringen, mit
der Zukunft schwanger zu gehen und an die verwandelnde Kraft der Liebe Gottes zu glauben.
Euch, junge Leute, frage ich: Wollt ihr „Influencer“ nach der Art Marias sein? [„Ja!“] Sie hatte den
Mut, „Mir geschehe“ zu sagen. Nur die Liebe macht uns menschlicher, nicht die Streitereien, nicht
allein das Studium: nur die Liebe macht uns menschlicher und erfüllter, alles andere sind
wohlschmeckende, aber leere Placebos.
Bald werden wir Jesus begegnen, Jesus, der in der Eucharistie fortlebt. Ihr werdet ihm sicher
vieles zu sagen und viel von den verschiedenen Situationen eures Lebens, eurer Familien und
eurer Länder zu erzählen haben.
Wenn ihr so von Angesicht zu Angesicht vor Jesus steht, dann habt Mut und keine Angst, ihm
euer Herz zu öffnen, damit er das Feuer seiner Liebe in euch erneuere, damit er euch ermutige,
das Leben mit all seiner Schwäche, mit all seiner Begrenztheit, aber auch mit all seiner Größe und
Schönheit anzunehmen. Jesus helfe euch zu entdecken, wie schön es ist, lebendig und wach zu
sein. Lebendig und wach.
Scheut euch nicht, Jesus zu sagen, dass auch ihr an seiner Liebesgeschichte in der Welt
teilnehmen wollt, dass ihr „mehr“ wollt!
Liebe Freunde, ich bitte euch, seid so gut, betet in diesem persönlichen Gespräch mit Jesus auch
für mich, damit auch ich keine Angst habe, das Leben anzunehmen, dass auch ich in der Lage
bin, die Wurzeln zu bewahren, und wie Maria sage: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast!“.
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